installation
Entlang
<  Erika Artaker
<  Fritz / Frassl
<  Erika Artaker
title
Entlang
year
2007 03 23
city
Vienna
where
Suedbahnhof
kind
group installation
link
www.esel.at/termin/entlang  _
info
installation in the slowley abandoned parts of the Suedbahnhof . beeing prepared for the construction of the old one.
artist .1 Fritz/Frassl .2 Erika Artaker
<  01 – 05  .2 Erika Artaker 06  .1 Fritz / Frassl  > 07 – 12  .2 Erika Artaker  >
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works
Entlang
append
Entlanga1.1
Inrtoduction from the exhibition Catalogue . Entlang . text © Martin Zeilinger
Abwarten, Ansehen, Umsehen. (Sehr Passabel!)


Zumindest 2 der 3 ausstellenden Künstlerinnen Fritz, Frassl und Ratvay haben ja schon einmal die kritische Betrachtung eines klassischen Passagenraums (der Schalterhalle des Westbahnhofs nämlich) an eine länger andauernde, zeitlich demarkierte Aktion geknüpft – dem Beobachten zwischen nächtlichem Zusperren und morgendlichem Aufsperren der Schalterhalle – und damit das Verharren und Warten als eine Tätigkeit, die dem Reisen paradoxerweise ganz nahe steht, in eine künstlerische Arbeit eingebunden. Um diese Taktik, die in den beiden vorliegenden Arbeiten auch wieder (sozusagen durchgängig) thematisiert ist, aufzugreifen, entsteht der folgende Text als relativ frei gesponnene Assoziation während der Fahrt zur Ausstellungspassage, das heißt beim Warten auf die Ankunft, und weiters beim betrachtenden Verweilen in den Bahnhofshallen selbst.

Die Fahrt (die durch das englische und/oder französische ‚passage’ besser bezeichnet wäre) und die Ankunft am Ausstellungsort führen gleich einmal vor Augen, was der durchquerte dynamische Stadtraum mit dem statischen Bahnhofsgebäuden gemein hat: Obwohl die beiden architektonisch scharf als Innen und Außen voneinander getrennt sind, konstituieren doch sowohl Stadtraumpassage als auch Bahnhofspassagenraum jeweils ein Milieu, das auf den ersten Blick nur transiente Erfahrungen und flüchtige Begegnungen zu ermöglichen scheint. In der Geschwindigkeit der Reise wie auch im Aufenthalt in der Passage bieten sich einem keine rechten Anhaltspunkte, die Einhalt geböten; Hier wie dort (gleichgültig, in welcher Umgebung) scheint so das Stehenbleiben zuerst einmal unbegründet. Die Anfahrt hat dem Passagenraum jedoch zumindest eines voraus: Sie konfrontiert den Passagier mit der unausweichlichen Modalität der Kontemplation (während der Fahrt), wohingegen der Passagenraum, der sich ja per definitionem als zum Fort-Schritt konzipiert und als Durchgangs-Ort versteht, den Passanten eher weiterdrängt als aufzuhalten sucht.

So bleibt auch in den beiden Passagen ENTLANG denen ausgestellt ist tatsächlich niemand unbegründet stehen – In einem Raum, der grundsätzlich das Passieren, also auf gut österreichisch das Weiterkommen, fordert, müssen es die ausgestellten Arbeiten sein, die zum Verharren und Betrachten auffordern, und in weiterer Folge zur Bewusstwerdung dieser Vorgänge, die, ganz wortwörtlich, ‚fehl am Platz‘ scheinen.

Sobald nun jedoch jemand verharrt und betrachtet, bleibt jeder weitere Vorübereilende und jede weitere Vorübereilende ebenfalls stehen, nun nicht mehr unbegründet: Ob der irritierende Initialmoment dieser Betrachtung möglicherweise nicht in den ausgestellten Arbeiten selbst zu finden ist, sondern zuerst einmal im ungewohnten und störenden Anblick eines, der nun nicht mehr weiter kommt, der die Passage behindert und den Weg verlegt, und so vielleicht Interesse weckt an dem Passagenraum, durch den man gerade noch so schnell als möglich hindurchkommen zu wollen glaubte, ist eigentlich nebensächlich – denn sofort wird der irritierte Blick der Passanten umgelenkt auf die ausgestellten Arbeiten, und gleich wird erkannt, dass hier Botschaften im Raum stehen, die gewissermaßen eine Fortsetzung (im Stillstand) der nun unterbrochenen Passage darstellen, und die den gerade vergangenen Moment selbst zum Thema machen.

Bezug genommen wird von Fritz/Frassl unter anderem auf einen problematischen Abschnitt im §78 der StVO von 1960, in dem in einer betont dehnbaren Formulierung jedwede Behinderung des Fußgängerverkehrs ‚#insbesondere durch unbegründetes Stehenbleiben‘ verboten ist. Also STEHEN BLEIBEN UNBEGRÜNDET. Im täglichen Stadtleben wird diese Verordnung von Exekutive und Geschäftsinhabern regelmäßig dazu missbraucht, urbane Vagranz zu unterbinden und mit Verwaltungsstrafen oder gar Arrest zu ahnden, und zwar auch an Orten, deren Charme eben gerade mit dem unbegründeten Stocken des Fußgängerverkehrs zusammenhängt, und die, so wie Bahnhofspassagen, traditionellerweise immer Wartende, Umtriebige, Beobachtende in großer Zahl vorzuweisen haben. UMGEBUNG also VÖLLIG GLEICHGÜLTIG.

Die höchst subjektive Frage, welches Stehenbleiben als unbegründet zu bezeichnen ist, und an welchen Orten, wird in der Arbeit von Fritz/Frassl jedoch nicht nur zentral thematisiert, sondern die Aktion ist zugleich als konkrete Maßnahme gegen die Verordnung des §78 zu verstehen, in dem sie an die Neugier und Schaulust der Passanten appelliert, und dadurch zuallererst einmal einen guten Grund fürs Stehenbleiben liefert. Dabei sticht ja, bei Benjamin ebenso wie bei De Certeau und all den anderen, das Sehenswerte im Stadtraum allenfalls dem Spaziergänger oder der Spaziergängerin ins Auge (als motorisierter flâneur fiele mir nur Baudrillard auf seiner Fahrt durch Amerika ein). Der bahnhöfische Passant erschiene in diesem Sinne zuerst einmal als denkbar schlechter Adressat der hier besprochenen Arbeiten, die sich ja bewusst an einem Verbindungsgang oder Durchlass positionieren, und somit aus der Peripherie des Blicks jedes Vorübereilenden nur vage hervorstechen werden.

Dennoch haben die beiden kurzen ausgestellten Phrasen – die als distanzierte Kommentare ebenso verstanden werden können wie als Althusser‘sche Interpellationen der Passanten – genau wie die Rennbahnen in der Nachbarpassage direkten Bezug zu den Befindlichkeiten von Passage als Ort, Passage als Aktion, und den Passanten selbst. Die COURSES von Erika Artaker, die ja als abstrahierte Vogelperspektiven etwas Fahrplan-artiges in sich tragen, führen zu einer überraschenden Umkehr der dromologischen Erfahrung des Reisens, indem sie in Verbindung mit dem kurzen Video-Loop einerseits Geschwindigkeit zelebrieren, andererseits aber durch die Betonung des zirkulären Charakters allen Rennfahrens und Reisens das ‚nicht stehen bleiben‘ thematisieren. Der begleitende Video-Loop ist ein Gegenschnitt zweier Filmsequenzen, wobei sich innerhalb jeder Sekunde fortlaufende Fragmente aus Le Mans und Riding Giants 4x abwechseln, und beide Filme parallel gesehen werden können. Das Ansehen setzt eine Art der Aufmerksamkeit voraus, die vollkommen vereinnahmt, ohne Pause, ohne ‚Stehenbleiben‘.

So findet der transitorische und seltsam funktionslose Charakter des Passagenausstellungsraums (eine Art Schleuse – man ist hier nie schon richtig weg, aber auch nie schon richtig da), der wohl früher einmal auf die Reise/Ankunft vorbereiten und in diesem Sinn den Blick der Ankommenden auf die strukturierte Geometrie der Stadt, bzw. den Blick der Abfahrenden auf die Weite des außerstädtischen Horizonts vorbereiten sollte, als Allegorie auf das kontemplativ-kritische Verweilen in die ausgestellten Arbeiten Eingang: Vorübergehende Blicke werden eingefangen und gebündelt, und die Antizipation dromologischer Erfahrung, welche ehemals die Bahnhofspassage kennzeichnete, wird entlang der in den Vitrinen ausgestellten Arbeiten auf die problematische Neustrukturierung vielerlei städtischer Räume (auch des nun bald abzureißenden Südbahnhofs) als ewige Passagen, die sich unbegründeten Aufenthalt durch gesetzliche Verordnungen verbitten, umgelenkt.

Es wäre noch die Frage zu stellen, warum es an Bahnhöfen nach wie vor eine Besonderheit ist, öffentliche Kunsträume zu initiieren, wohingegen an Flughäfen aufwendige Kunstinstallationen, die meist Stress und die Hast der Reisenden in Ruhe verkehren sollen, meist vorgeschrieben sind. Vielleicht setzt das Procedere um die Bahnreise so viel weniger Sorge und Hast voraus, dass die Räumlichkeiten des Bahnhofs sich ganz auf das Fortkommen konzentrieren können, und weiterhin keinen Hehl aus dem Umstand machen müssen, dass sie eigentlich niemanden zum verweilenden Konsum von Platz einladen wollen, sondern höchstens zum schnellen Auftanken von Proviant animieren möchten? In dieses Bild vom bahnhöflichen Passagenraum, der nur insofern partizipatorisch ist, als er zum Verschwinden sowie zum Konsum einlädt, passen natürlich vagrante Elemente scheinbar genauso wenig wie das Kritisch-Künstlerische.

Entlang der beiden hier bespielten Passagen wird aber klar, dass Stehenbleiben eben doch begründet ist, an einem Ort wo ständiges Auftauchen und Verschwinden vorherrscht und wo, wenn man selbst unterwegs ist, auch alles Aufgetauchte es kaum einmal über die Peripherie hinaus in den Bereich des bewusst Gesehenen schafft. Inmitten dieses Gewirrs von Räumen, welche sich allesamt in erster Linie über ihre pragmatischen Funktionen definieren, und welche die Vielzahl von ephemerischen Eindrücken und geschwind im Vorübereilen erhaschten Blicke und Anblicke so gut es geht in den Hintergrund zu drängen versuchen, ist kritische Intervention eben durchaus nicht fehl am Platz, sondern kann in äußerst konstruktiver Art und Weise jede Passage sozusagen vorübergehend unterbrechen.

append
Entlanga2.1
Catalogue . Entlang . 23 pages . 9x13cm
append
Entlanga3.1
Invitation Card
position
Entlang
2007 03 23 . Entlang . Suedbahnhof . Austria

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November 25th, 2017